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Outdoor-Aktshootings Teil 4: Bild komponieren und Licht bändigen

Wie schon angekündigt, behandelt Teil 4 meiner kleinen Schwarzweiß-Outdoor-Akt-Serie die genutzten Aufnahmetechniken, erläutert den Einsatz verschiedener Bildebenen und versucht, das Licht zu bändigen.

Ich bin mir sicher, dass mancher profilierte Kollege die Hände über dem Kopf zusammenschlagen wird, wenn er liest, wie die eine oder andere Aufnahme entstanden ist.

Das zeigt aber auch, dass Fotografie auch „ein Gefühl aus dem Bauch heraus“ sein kann und auch einmal unkonventionell sein darf. Sicherlich hätte ich manche Situation auch technisch anders meistern können. Kein Zweifel.  :-)

Bildgestaltung in der Outdoor Aktfotografie

Licht bändigen und erzeugen 

Fehlt mir ausreichend natürliches Licht an der Location oder möchte ich bestimmte Bildinhalte mit Licht oder Schatten akzentuieren, arbeite ich ausschließlich mit Reflektoren und Diffusoren. Ich nutze keinerlei künstliches Hilfslicht, also weder Blitze, noch Dauerlicht. 

Je nach meiner Vorstellung der Lichtwirkung kann ich dabei mit der entsprechenden Bespannung den gewünschten Effekt erzielen, die sich auch auf Schwarzweißbildern auswirkt. Zu greller Sonnenschein erzeugt harte Schatten, die sich mit Reflektoren kaum bändigen lassen. Dazu müsste ich dann einen Sun-Swater einsetzen, also einen Diffusor, der das Licht je nach Dichte der lichtdurchlässigen Bespannung um -x Blenden softet und reduziert und den Licht/Schatten-Kontrast ausgleicht. 

Das funktioniert ohne großes Team aber nur für Portraits oder Nahaufnahmen. Für meine doch recht raumgreifende Art der Fotografie gilt daher: "Je weniger Licht, desto besser". An einem trüben Tag habe ich kaum mit Schattenwurf am Model zu kämpfen und ebenso weniger mit zu kontrastreichen Strukturen in der Umgebung.

Um aber trotzdem nicht in einheitlichem Grau abzusaufen, setze ich meist einen weiß oder gold bespannten Reflektor ein, der sich in der Regel gut hinter einem Baum, Felsen odgl. verstecken lässt, oder auf einem Stativ montiert das Licht dorthin bringt, wo ich es haben möchte. Meist genügt nur wenig Licht, um damit die gewünschten Akzente setzen zu können. 

Silber hat am Tag eine neutrale Lichtwirkung, am Abend kühlt sie allzu warmes Licht ab. Gold macht die Haut weicher, ähnlich einem Licht bei Sonnenuntergang. Weiß eignet sich bei heller Umgebung für dezentes, softes Aufhellen, während die metallischen Töne das Sonnenlicht enorm verstärken.

Hier braucht es Erfahrung und immer wieder auch Ausprobieren, bis die passende Lichtmenge zwischen "zu viel" und "zu wenig" gefunden ist. Schwarz modelliert (betont) die Schatten und Konturen auf meinem Motiv. Die Farbtemperaturen haben bei Farbbildern natürlich einen deutlich gravierenderen Effekt als in der Schwarzweiß-Fotografie.

Bild komponieren

Dem Motiv Raum geben

Ich habe für dieses Tutorial einige Bilder herausgesucht, die ein paar wichtige Regeln verdeutlichen sollen. Meist ist das einfacher als man denkt, zumal es bei diesen Bildern arrangierte Szenen sind. Ihr könnt also lange genug am Bild feilen, bis alles passt. Schaut mehrmals durch den Sucher. Schwenkt die Kamera. Ändert die Brennweite. Geht ein paar Schritte nach links und rechts, vielleicht ergibt sich eine bessere Perspektive.

Habt Ihr einmal die Grundregeln intus, achtet Ihr auch bei ungestellten oder bewegten Motiven automatisch auf Spannung und Tiefe erzeugende Ebenen und Bildeinteilungen, nutzt Vordergrundelemente, Führungslinien und Unschärfe und vermeidet Ablenkungen.

Besonders in der Schwarzweißfotografie sind auch kontrastreiche Muster, Strukturen und Formen wichtig. Da ich 50:50 People- und Landschaftsfotograf bin, fließen bei mir beide Arten der Fotografie übergangslos ineinander.

Eines gleich vorweg, mitunter macht es auch Spaß die folgend beschriebenen „goldenen Regeln“ bewusst zu brechen. Wie gesagt, die Entscheidung, wie ich ein Bild anordne, darf auch ein Bauchgefühl sein. Letztlich sind Bilder immer auch Geschmacksache, so perfekt sie auch technisch und gestalterisch sein mögen.

Am Ende entscheidet der Besucher einer Ausstellung oder der Betrachter von Onlinegalerien ganz alleine, ob ihm ein Bild gefällt oder nicht.

Die wichtigen Regeln (oder besser Methoden) zur Einteilung und Komposition eines Bildes in der Landschaftsfotografie lassen sich auch fast 1:1 für Outdoor-Aktbilder verwenden: Bildmittelpunkt, Drittel-Regel, Schärfenebenen, Blickführungslinien, (leeren) Raum nutzen.

Bildmittelpunkt und Drittel-Regel

Jedes Bild braucht eine Aussage, einen zentralen Fixpunkt für die Augen, etwas, das die Aufmerksamkeit lenkt und dem Bild eine Aussage verleiht, ohne es zu sehr zu dominieren. Es ist also immer ein Abwägen zwischen zu weit weg und zu nah dran.

Einfaches Beispiel ist ein Bild einer alleine stehenden Almhütte inmitten grandioser Bergwelt. Ziehe ich das Bild zu weit auf, verschwindet die Hütte. Gehe ich zu nah ran und gebe der Hütte zu viel Platz, verliert das Bild an Aussage. Vermeidet zudem mittige Bildaufbauten. Bilder, deren Motiv genau in der Mitte sitzt, wirken langweilig. Setzt die Hütte (bzw. das Model) ins linke oder rechte Bilddrittel, bzw. ins untere oder obere Bilddrittel. 

Dank der Raster in neuen DSLR-Kameras ist die Platzierung leicht möglich. Wo das Motiv sitzt, ist auch abhängig von Sekundärmotiven (Bäumen, anderen Hütten, etc.) Also nicht stur der Regel folgen, sondern sie weise anwenden. 

Outdoor Aktshootings

Der Bildmittelpunkt sitzt im linken Drittel und ist durch das Setzen einer selektiven Schärfe betont. Der Baum führt zudem den Blick zum Motiv. Zwei Drittel des Bildes haben dagegen weder eine eigene Aussage, noch störende Elemente oder harte Übergänge. Das betont das Motiv zusätzlich.

Schärfeebenen

In der Landschaftsfotografie wird meist versucht, die Schärfe über das ganze Bild zu verteilen, was durch kleine Blenden(-öffnungen) und die entsprechend längeren Belichtungszeiten und der Nutzung eines Stativs gut gelingt (... nicht verwirren lassen: Je größer die Blendenzahl ist, desto kleiner ist die Blendenöffnung, desto länger ist die Belichtungszeit, desto weiter ist die Schärfentiefe).

Mit Models ist das weniger gut möglich, es sei denn, die Pose ist absolut statisch. Es macht dann also Sinn, die Schärfe eng auf das Model zu setzen und Vordergrund und/oder Hintergrund in Unschärfe zu legen, also mit selektiver Schärfe durch eine offeneren Blende (also kleineren Blendenzahlen) zu arbeiten.

Mit der Schärfentiefe kann ich wunderbar meinen Betrachter auf mein Motiv lenken und Bildaussagen verstärken, indem ich mein Model vom Hintergrund abhebe oder es mit diesem verschmelzen lasse. Beim Arbeiten mit Unschärfen arbeite ich gerne mit einem großen Teleobjektiv, weil ich dort selbst bei hohen Blendenzahlen kaum Schärfentiefe habe.

  Schärfeebenen in der Aktfotografie

Die Schärfe sitzt selektiv auf dem Model (f 3,5) und betont es entsprechend, ohne dem Hintergrund zu sehr die Dramatik zu nehmen.

Bildführungslinien

dienen dazu, den Blick des Betrachters im Bild zu lenken und/oder dem Bild eine Dreidimensionalität zu geben. Mit gut genutzten Bildführungslinien kann ich Tiefe und Raum in einem Bild erzeugen. Straßen oder Flüsse eignen sich in der Landschaftsfotografie optimal dazu.

In der Modelfotografie sollte ich „kleinere“ Elemente als Linien benutzen, etwa einen kleinen Pfad, Geländer, Furchen eines Ackers, liegende Baumstämme oder die geschwungene Mittellinie einer Straße etc. ... Macht Euch beim nächsten Spaziergang doch mal auf die Suche nach Bildführungslinien. Ihr werdet staunen, wie viele zu finden sind.

Bildführungslinien in der Aktfotografie

Bildführungslinien in der Aktfotografie

Bildführungslinien in der Aktfotografie

Drei Beispiele für Bildführungslinien. Das letzte Bild zeigt gut, dass es auch einmal Sinn macht, eine oder mehrere Regeln zu brechen.  

Dem Motiv Raum geben

Je voller ein Bild ist, desto schwieriger ist es, darin mit den Augen Halt zu finden. Meist sind Betrachter beim Anblick solcher Bilder von der Informationsflut überfordert, mit dem Erfolg, dass sie zum nächsten Bild weitergehen/-blättern/-klicken. Besonders beim Arbeiten mit Models solltet Ihr deshalb auf „Wimmelbilder“ verzichten.

Weniger ist oftmals mehr. Mit Leere in einem Bild kann ich meine Models hervorheben, eine Bildaussage unterstreichen, Einsamkeit oder Verlorenheit visualisieren oder dem Bild eine angenehme Ruhe verleihen. Achtet beim Leerlassen aber darauf, dass keine störenden Elemente im Bild sind (Telefonmasten am Horizont sind ein Klassiker).

Auch wenn es mit Photoshop heute oftmals kein Problem ist, ein Bild zu verändern, ist es aus fotografischer Sicht doch erstrebenswert, schon beim Bildmachen auf das Vermeiden von Fehlern und Störungen zu achten.

Dem Motiv Raum geben

Die Schärfe sitzt auch hier wieder selektiv auf dem Model (f 3,5) und betont es entsprechend, setzt aber den (sehr weit entfernten) Hintergrund in diesem Fall völlig in die Unschärfe und macht so fast Dreiviertel des Bildes zum leeren Raum. Das verleiht diesem Bild eine besondere Stimmung.

Dem Motiv Raum geben

Die Spiel mit leeren Räumen im Bild lässt sich beliebig ausreizen, was die Wirkung von Einsamkeit oder Verlassenheit als Bildaussage verstärkt.

Bild rahmen

Manchmal bietet es sich an, ein Bild durch Vordergrundkulissen zu „rahmen“. Das können Steine sein, Äste oder Bäume, Türrahmen, Höhleneingänge, oder, oder ... Ich kann den natürlichen Rahmen als Silhouette nutzen oder (in der Regel mit Aufhelllicht) z.B. die Details eines knorrigen Baumstammes zur Geltung bringen. Muss aber dann aufpassen, das Hauptmotiv damit nicht „zu erschlagen“. Achtet auch darauf, dass der Rahmen Euer Model nicht schneidet oder verdeckt. Zudem kann ich beim Rahmen eines Bildes wunderbar mit der Schärfentiefe arbeiten. Bin ich mir unsicher, ob ich den Rahmen scharf oder unscharf haben will, mache ich einfach zwei Bilder und entscheide beim Entwickeln, welches mir besser gefällt.

Dem Bild einen Rahmen geben

Die beiden Bäume rahmen mein Model links und rechts. Die geringe Schärfentiefe und die lange Brennweite (f 3,2, 125 mm) heben mein Model zusätzlich ab. Für das Leuchten in den Locken sorgt von links hinten das Morgenlicht. Ein großer Sunbouncer erzeugt das Licht auf ihrem Körper. 

Bildrahmen

Auch hier ist das Model gerahmt, allerdings habe ich hier der Natur nachgeholfen und etwas getrickst. Das Licht fällt natürlich von leicht schräg oben ein. Der Baum rechts war schon recht dunkel. Trotzdem habe ich diesen Bereich mit einem ND3 Grauverlaufsfilter noch zusätzlich abgedunkelt. Über den linken Bildrand habe ich einen ND9-Filter gelegt (beide soft) und nur den mittleren Bereich klar gelassen. Auf das Model ist ein Sunbouncer gerichtet.

Noch ein paar Daten zur Entstehung einige Bilder:

Vorm Schreiben dieses Posts habe ich ein paar Freude und Kollegen gefragt, ob sie mir Bilder nennen wollen, deren Entstehung sie besonders interessiert.

Die Bildserie mit meinem Lieblingssteg hat mir in einer bekannten Fotografie-Community den Vorwurf eingebracht, ich würde meine Bilder montieren und zudem noch grottenschlecht, weil Schärfe und Beleuchtung und der Anschnitt des Steges nicht mit dem Hintergrund passen würde. Montiert ist nichts, denn das Ergebnis wäre angesichts meiner Photoshopqualitäten sicherlich wenig gut.

 

Den Steg gibt es an genau diesem See an genau dieser Stelle wirklich. Der Anschnitt entsteht durch den Aufnahmewinkel aus dem Wasser heraus. Fotografen sollten keine Angst vor nassen Füßen haben. Beim linken Bild habe ich das Model durch die frühe Morgensonne und zusätzlich einen großen Sunbouncer so extrem aufgehellt, dass ich das Bild so deutlich unterbelichten konnte, dass nur noch die eigentlich zu hellen Bildinhalte zu sehen waren. Der Zweck heiligte hier die Mittel. Durch die selektive Schärfe auf Model und Steg hebt sich dieser zudem deutlich vom Rest des Bildes ab und sieht so tatsächlich aus wie montiert (siehe auch eines der vorherigen Bilder am selben Steg). Der schwarze Rock ist nicht blickdicht, sondern aus Chiffon. So konnten wir mit dem Reflektor die Randbereiche betonen und die schwarzen Ebenen voneinander abheben. Dass auch noch der Nebel eine elegante Linie im Hintergrund zieht, war pures Glück. Das gehört genauso dazu wie Geduld. Denn ich kann mich gut erinnern, dass wir lange auf den richtigen Augenblick gewartet haben. Nur wenige Minuten später hatte sich die dünne Nebellinie aufgelöst und es war es bereits so hell, das wir zusammengepackt haben.

Hier ist das Model von den Ästen und dem Laub gerahmt. Durch die absolut statische Pose konnte ich mit großer Blende und langer Belichtungszeit arbeiten (Blende 29, 5 Sek.). Das erzeugt beim Wasser den eingefrorenen Effekt. Das Surreale im Bild wird durch die sich ebenfalls bewegenden Äste und Blätter noch verstärkt wird. Dazu hat ein kurzes Zupfen an einem Ast genügt, während andere wiederum knackscharf abgebildet sind.

Bild 3 ist mehr eine Leistung des Models, als des Fotografen. Eine sehr selektive Schärfe (f 2,8) und eine für Modelshootings recht lange Belichtungszeit (1/15 Sek. mit Graufilter hat Dank der Fließgeschwindigkeit des Wildbaches genügt) haben den Wischeffekt im Wasser erzeugt. Die fast Draufsicht (ich hätte den Winkel gerne noch weiter reduziert) ist durch einen Aufnahmestandpunkt hoch über dem Model am Rand der Schlucht entstanden. Die eigenwilligen Strukturen der Kaskaden und der Wasserströmung sind durch simples Kippen der Kamera entstanden. Horizontal ausgerichtet wirkte das Bild langweilig und ohne Spannung.

Die Teile 1-3 meiner kleinen Outdoor-Aktshooting Serie könnt Ihr übrigens hier noch einmal nachlesen:

Teil 1: Wie finde ich die richtige Location 

Teil 2: Die Model-Suche

Teil 3: Nützliche Hilfsmittel für draußen

Alle hier gezeigten Fotos und Texte unterliegen dem Urheberrecht des Autors.

Wenn Ihr Euch für Aktfotografie interessiert, schaut Euch doch auch mal diese Filme an:

Aktposing, Posing, Aktfotografie

aktfotografie_Walo_Thoenen

Lucien Clergue, Aktfotografie am Strand

Und in diesen Filmen erfahrt Ihr mehr über die Regeln der Bildgestaltung:

Goldener Schnitt, Goldenes Dreieck, Bildgestaltung


Linien in der Bildgestaltung, Gestalten mit Linien


Scharf-Unscharf-Kontrast in der Fotografie


Gestalten Hell-Dunkel-Kontrast, kontrastreiche Aufnahmen fotografieren

 

 

 

 

30. Januar 2015 - 19:11

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