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Reisetipp von Serdar Ugurlu: Macht doch mal eine Fotoreise in die Bretagne

Für mich gibt es wirklich wenige Dinge, die schöner sind, als mit Freunden eine Reise intensiv zu erleben. Über meine Fotografie erst habe ich verstanden, was es bedeutet, den Alltag hinter mir zu lassen, denkwürdige Momente für mich zu sammeln und zu genießen.

Wenn ich verreise, ändert sich mein gesamter Tagesablauf, den normalen 8 Stunden Rhythmus lasse ich dann hinter mir. Mein Tagwerk beginnt dann zum nautischen Sonnenaufgang, in jener Zeit, in welcher die Nacht scheinbar widerwillig den Stab an den noch in Gänze vor mir liegenden Tag weiterzugeben scheint.

Diese wunderbaren und immer wieder denkwürdigen Momente, in welchen die langsam aufgehende Sonne den Himmel in zarte Pastellfarben taucht und mit den ersten zaghaften Sonnenstrahlen gleichzeitig die Müdigkeit aus den Knochen gewärmt wird.

Diese Momente, in denen sich eine Landschaft durch die ersten zaghaften Sonnenstrahlen aus dem kalten Schatten zu erheben scheint, sind für mich immer dann am schönsten, wenn ich sie im Kreise meiner Freunde, gemeinsam in aller Stille und quasi in Zeitlupe erleben darf. Eine warme Dusche, anschließend ein herzhaftes Frühstück mit einem frisch aufgebrühten Tee, ist für mich der Inbegriff von Urlaub.

Bretagne

Dabei geht es mir eigentlich primär nicht mal um die Fotografie per se, vielmehr dient mir die Verheißung von wundervollen Fotos als perfektes Alibi, meinem mich wärmenden weichen Bett Adieu zu sagen :-)

Macht eine eigene Fotoreise

Ihr merkt schon, ich möchte Euch Lust machen, eine solche Reise im Zeichen der Fotografie zu unternehmen......

Nehmt einen oder maximal zwei Freunde mit, packt ein Zelt und eine Kühlbox in Euer Auto, nehmt Bücher und Musik mit und fahrt los. Ihr werdet Euch im Anschluss fragen, warum Ihr das nicht schon früher gemacht habt,

Wisst Ihr, Leute, es ist das eine, während einer Reise zu fotografieren, aber etwas ganz anderes, zu verreisen um zu fotografieren. Zwischen diesen beiden Ansätzen liegen nicht Welten, sondern ganze Sonnensysteme!

Bretagne - Tipps für eine Fotoreise

Ab in die Bretagne mit Euch

Meine ersten wirklich bewusst geplanten und realisierten „guten“ Fotos habe ich vor etwas mehr als 10 Jahren im Norden Frankreichs gemacht.

Die Bretagne oder vielmehr der Süden der Normandie, beginnend beim Mont Saint Michel bis hinunter nach Brest , sind ein wunderbarer Einstieg in die ernsthafte weil bewusst geplante Landschaftsfotografie.

Eine solche Reise lässt sich entweder mit dem eigenen Fahrzeug oder mit einem Flug nach Brest und einem Mietwagen innerhalb einer maximal entspannten Reisewoche bestens zelebrieren.

Bretagne - Fotoreise

Für Anhänger sogenannter Seascapes oder Meereslandschaften bietet der gesamte Norden Frankreichs ein wahres Füllhorn an Locations, die meiner Meinung nach auch im internationalen Vergleich als wahre Leckerbissen durchgehen.

Das hat eine ganze Reihe von Gründen:

  • Der Tidenhub (Unterschied zwischen Ebbe und Flut) in der gesamten Normandie und Bretagne ist extrem. So beträgt dieser in der Bucht von Saint Malo je nach Mondstand und Jahreszeit bis zu 13 Höhenmetern! Das hat zur Folge, dass man als Landschaftsfotograf an ein und demselben Standpunkt über den Zeitraum von sechs Stunden zusehen kann, wie sich eine Landschaft fundamental verändert.
     
  • Der gesamte Küstenabschnitt ist durchsetzt mit einer Fülle an Leuchttürmen, die sich in ihrer Architektur und Bauweise teilweise extrem stark unterscheiden und sich wunderbar als Motiv und Kapitelüberschriften für unsere Bildgeschichten anbieten.
     
  • Die Landschaft ist geprägt vom Meer, von Ebbe und Flut und durchsetzt von Gezeitenbecken, die sich wunderbar als Anker und Spiegelungsflächen anbieten, um zweidimensionalen Fotografien tiefe und visuelle Wucht zu schenken.
     
  • Die Küste ist gesegnet mit einer Fülle an kleinen und pittoresken Fischerdörfern voller nautischer Motive, Fischerboote die im Schlick der Ebbe an Flussmündungen auf die Flut warten, Naturhäfen die in ihren aus Naturstein bewehrten Kais die darin ankernden Schiffe vor dem Zorn des wogenden Atlantik zu behüten scheinen. Reusen und Fischnetze, die scheinbar vergessen unter gusseisernen und gelb leuchtenden Laternen auf ihre Besitzer warten.
     
  • Die Rosa Granit Küste um Tregastel ist ein Naturwunder und der von August Eiffel gestaltete Leuchtturm aus dem selben Gestein sieht aus, als wäre er aus dem ihn umgebenden Gestein erwachsen!

Diese Liste könnte ich hier endlos fortsetzen und Euch tausend und einen Grund dafür nennen, Euch einen Ruck zu geben und dieses Wunderland der Landschaftsfotografie zu erleben.

Mein Geschenk an die Gemeinde

Damit Ihr die schönsten Fotostandpunkte auch wirklich findet, habe ich alle für mich interessanten Locations als sogenannte KMZ Datei (welche sich in Google Earth öffnen lässt) für Euch niedergeschrieben.

Jeder Punkt und jede Location ist genauestens beschrieben und mit Hinweisen versehen, zu welcher Tageszeit Ihr dort die besten Fotos mitnehmen könnt.

Hier könnt Ihr die KMZ Datei für Google Earth herunterladen!

Wer von Euch eine solche Reise für sich gestaltet und darüber bloggt, ist herzlich eingeladen, mich zum Lesen einzuladen. Es würde mich freuen, wenn Ihr die KMZ nach Gusto erweitert und weitergebt. Ein Hinweis, dass sie ursprünglich von mir kommt, wäre auch sehr fein.

Notwendiges Fotoequipment

Neben Eurer Kameraausrüstung, die neben adäquaten Objektiven im Bereich der Ultraweitwinkel bis hin zur leichten Telebrennweite alles beinhalten sollte, ist ein stabiles und leicht zu reinigendes Stativ für gute Landschaftsfotografie unerlässlich.

Grauverlaufsfilter mit softem Verlauf in den Dichten zwischen 0.3 bis 1.2 sollten ebenso nicht fehlen. (Diese Filter sind unabdingbar, um den Motivkontrast on Location zu beherrschen, also den Unterschied innerhalb der Lichtmenge zwischen dem hellsten und dunkelsten Punkt in einen für die Kamera beherrschbaren Bereich zu bringen)

Möchtet Ihr das normale Raum-Zeit-Gefüge in Eurer eigenen Fotografie verlassen, erweitern und oder sprengen, braucht Ihr guten Sprengstoff in Form von Graufiltern (bzw. Neutraldichtefilter).

Am Tag bei viel Licht verlängert ein Neutraldichtefilter ND 3.0 die Belichtungszeit linear um den Faktor 1000. So kommt Ihr schwubbeldikatz auf 30 Sekunden bis zu einer Minute Belichtungszeit bei 200 respektive 100 ASA/ISO und einer Blende 11 - 16..

(Ermittelt wird die Belichtungszeit folgendermaßen: Bildaufbau erfolgt ohne Graufilter mit Grauverlauf, AF setzen oder manuell fokussieren, AF abschalten, Belichtungszeit messen, anschließend Belichtung auf Korrektheit überprüfen, Zeit bei gewählter Blende auslesen, bspw. 1/320s, umrechnen auf den Verlängerungsfaktor durch Filter: 1 dividiert durch 320 ergibt 0,00312 und das mal 1000 sind dann 31 Sekunden, Filter ansetzen, belichten, fertischmertischleckerlisch)

Wollt Ihr zum Sonnenuntergang den Wolkenzug in ein Foto gießen, bietet sich dafür ein ND 1.8 Graufilter an, der uns eine Verlängerung mit dem Faktor 64 beschert. Damit kommt man bei dem in diesen Stunden vorherrschenden Lichtniveau sehr schnell in Zeitenbereiche von zwei bis sechs Minuten.

Wer sich jetzt fragt, warum man bei ohnehin wenig vorhandenem Licht noch einen Filter aufschrauben soll, um das Licht weiter zu verringern, dem sei gesagt, dass es uns hierbei darum geht, Dinge zu offenbaren, die in der normalen Zeit gar nicht auffallen. Man kann auf diesem Weg z.B. den Zug der Wolken betonen oder die Meeresströmung wunderbar visualisieren.

Bei diesen langen Belichtungszeiten, die teilweise in den Minutenbereich gehen, braucht Ihr natürlich einen Kabelfernauslöser, der es euch ermöglicht, überhaupt so lange zu belichten. Akkus in ausreichender Anzahl sind ebenfalls sehr sehr wichtig.

Kleidung

Ich glaube es war Robert Capa, der gesagt hat: „Sind eure Bilder nicht gut genug, wart Ihr nicht nah genug dran“

Ich für meinen Teil sage meinen WS Teilnehmern immer: „Wenn du denkst du bist nah genug, gehe näher ran“.

Arbeitet man nämlich mit extremen Weitwinkelbrennweiten und will  Dynamik in ein Foto bringen, kommt man nicht umhin teilweise bis zur Hüfte im Meer zu stehen. Das hat natürlich direkte Auswirkungen auf die verwendete Kleidung. 

Moderne Funktionskleidung trocknet extrem schnell, kann dadurch auch nass bequem getragen werden und lässt sich auf Reisen sehr schnell reinigen. Gerade in den goldenen Stunden rund um den Sonnenauf- und oder Untergang kann es auch im Spätsommer sehr schnell sehr kühl werden. Achtet deshalb stets darauf immer einen warmen Fleecepulli im Reisegepäck zu haben.

Um meine Füße vor schroffen und muschelbewehrten Felsen zu schützen, haben sich für mich diese elend hässlichen Crocs bewährt. Diese sind gut besohlt und greifen auf dem felsigen und Muschelbewehrten Felsen sehr gut.

Mein Kleidersack besteht bei einer solchen einwöchigen Reise aus:

  • Zwei Hosen aus moderner Kunstfaser
  • Drei Hemden aus Kunstfasermaterial
  • Eine Regenjacke
  • Einem Paar Crocs für die Arbeit sehr nah am oder im Meer.
  • Ein Paar leichter Sportschuhe
  • Eine Fleecejacke
  • Eine Packung Rei Reisewaschmittel.
  • Unterwäsche

Mehr braucht man für eine einwöchige Tour nicht wirklich.

Nützliches & Notwendiges

Stirnlampe

Die besten Fotos entstehen, wenn ein Mangel an Licht herrscht. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass wir häufig nicht sehen, wo es lang geht oder wo der Felsen sein Ende hat. Da ich mich bei meiner Fortbewegung on Location manchmal auf allen Vieren fortbewege, habe ich mir eine gute Stirnlampe gegönnt, die auch Rotlicht bietet.

Das hilft mir, nachts meine Kamera einzustellen. Rotlicht hat nämlich den großen Vorteil dass man die Nachtsicht nicht verliert. Ich verwende seit nunmehr vier Jahren ohne jedwede Probleme eine Petzl Tikka.

Reinigungsflüssigkeit

Der Atlantik verhält sich zum Mittelmeer in etwa so wie Godzilla zu Japan. Er bearbeitet die teilweise sehr schroffen Felsen mit einer derartigen Wucht und Gewalt, dass die auftreffende Dünung zu einem Nebel transformiert wird.

Leider setzt sich dieser Nebel auf den eingesetzten Grauverlaufsfiltern ab, was dazu führt, dass man mit Schlieren und Schmier zu kämpfen hat, der sich nur durch Unmengen an klarem Wasser entfernen lässt.

Ich empfehle, sich bei ebay ein paar Zerstäuberflaschen zu besorgen und diese mit einem Gemisch aus vier Teilen Wasser und einem Teil Isopropyl Alkohol zu befüllen. In Verbindung mit einem fein gewobenen großflächigen Mikrofasertuch lassen sich die Filter damit prima reinigen.

Silica Gel

Seit Jahren schon habe ich in meinem Fotorucksack mehrere in Damenstrümpfen eingewickelte Silica Gel Tüten liegen. Diese sorgen für ein gesundes und trockenes Klima in meinem Rucksack.

Wer in den Nylonstrümpfen einen Serdarschen Fetisch diagnostiziert, liegt falsch, der Strumpf ist mein letzter Schutz vor einer gesättigten und durchnässten Silica Gel Tüte. Er stellt sicher, dass der Inhalt der Tüte sich nicht im Rucksack verteilen kann, sondern da bleibt wo er hingehört: In einem Nylondamenstrumpf :-)

Wo kommt man unter?

Wenn ich eine individuelle Fotoreise für mich gestalte, favorisiere ich als Unterkunft eigentlich immer ein Zelt. Damit bin ich immer sehr nah an meinen Locations, das frühe Aufstehen macht mir dann auch nicht soviel aus, weil der beste Schlafsack eben kein Vergleich zu einem warmen Bett darstellt.

Die Campingplatzdichte in der Bretagne ist ausgesprochen gut und die Preise für einen Zeltplatz liegen im Schnitt bei etwa 15 Euro in der Hauptsaison (inkl. Strom)

Wem ein Gedanke an eine Nacht im Zelt eine Gänsehaut erzeugt, sollte seine Reiseroute sehr detailliert planen und rechtzeitig seine Hotels buchen.

Insbesondere dann, wenn Eure Reisezeit in die französischen Sommerferien fällt. Zu dieser Zeit sind die Hotels sehr stark belegt. Der durchschnittliche Preis für eine Nacht in einem DZ liegt bei etwa 80 Euro.

Ebbe & Flut

Abschließend noch ein paar wirklich eindringliche Worte über die Gezeiten in Nordfrankreich. Wenn die Rede von einem durchschnittlichen Tidenhub von neun Metern ist, sind damit Höhenmeter gemeint! Wer sich vor der Reise keine Gedanken über seinen Fotostandpunkt und den Verlauf der Gezeiten macht, spielt mit seinem Leben. 

Achtet beim Aufsuchen eurer Standpunkte und Locations auf eindeutige Hinweise auf den maximalen Wasserstand bei Flut. Bealgte Felsen, die erst erklommen werden müssen, liegen bei Flut UNTER Wasser! Die Tide kommt teilweise extrem schnell (insbesondere im Watt beim Mont Saint Michel rauscht sie förmlich heran).

Prüft VOR Eurer Reise über Dienste wie http://www.gezeitenfisch.com ,wie sich die Tide an Eurer Location verteilt.

Fotoreise Bretagne

Ich wünsche Euch eine gute Reise und goldenes Licht auf Euren Wegen.....

Bretagne Tipps für eine Fotoreise

LG

Euer Serdar

Alle hier veröffentlichten Texte und Fotos unterliegen dem Urheberrecht und dürfen nicht ohne Genehmigung kopiert oder weiter verwendet werden.

Wollt Ihr noch mehr über Landschafts- und Reisefotografie, über Locationscouting und über den Gebrauch von ND Filtern und Langzeitbelichtung erfahren? Dann schaut Euch die Filme von Serdar Ugurlu an.

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5. November 2014 - 10:23

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